Bicamérisme et représentation des régions et des collectivités locales : le rôle des secondes chambres en Europe



Palais du Luxembourg, 21 février 2008

ANNEXES - APPENDICES CONTRIBUTIONS ORIGINALES -
ORIGINAL SPEECHES

Referat von Ständerat Bruno Frick, Einsiedeln (Schweiz)

ROLLE UND BEDEUTUNG DES STÄNDERATES IN DER SCHWEIZ

Herr Präsident des französischen Senats

Herr Präsident der Kommission von Venedig

Frau Vizepräsidentin des Senats

Verehrte Kolleginnen und Kollegen

Sehr geehrte Damen und Herren

Der Föderalismus und der Ständerat (Senat) sind neben der direkten Demokratie zwei politische Wesensmerkmale der Schweiz. Ihnen widmen wir uns in den kommenden Minuten:

- Eingangs dem Föderalismus als Grundlage des Staatsverständnisses und der Aufgabenteilung der Schweiz.

- Anschliessend gehe ich auf das Spannungsfeld ein, in welchem der Ständerat arbeitet: Zuerst in seiner Bedeutung als Abgeordnetenkammer der Kantone« und danach in seiner Aufgabe als Organ des Bundes bzw. als Kammer der Bundesversammlung.

- Schliesslich wende ich mich einigen Reformgedanken zu und beurteile sie.

I. Föderalismus

Föderalismus nach schweizerischem Verständnis bedeutet zunächst Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Kantonen; sodann beinhaltet er auch das Mitgestaltungsrecht der Kantone im Bund. Er konkretisiert sich anhand des Subsidiaritätsprinzips, welches Kompetenzen und Aufgabenerfüllung auf der tiefstmöglichen Stufe ansiedelt. Ansiedlung auf höherer Stufe erfolgt nur, wenn die politische und organisatorische Beurteilung ergibt, dass die Kantonsstufe nicht oder nicht mehr zweckmässig ist. Entsprechend den Bereichen reden wir in der Schweiz von Kompetenzföderalismus, Vollzugsföderalismus und Gestaltungsföderalismus.

Die Schweiz hat ihre Bundesverfassung im Jahr 1999 total revidiert. Auch die neue Verfassung trifft die Kompetenzvermutung zu Gunsten der Kantone. Dieser Kompetenzföderalismus belässt alle Kompetenzen grundsätzlich bei den Kantonen. Dem Bund können sie nur durch Verfassungsänderung übertragen werden, was der doppelten Zustimmung - Mehrheit des Volkes und Mehrheit der Kantone - bedarf. Seit Beginn der neuen Eidgenossenschaft vor mittlerweile 160 Jahren sind sukzessive Kompetenzen auf den Bund übergegangen. Dennoch bleiben die Schweizer Kantone eigenständige Gliedstaaten mit beträchtlichen Aufgaben. Sie sind zum Beispiel für das Gesundheitswesen, die Volksschulen und Universitäten, die Polizei und die öffentliche Sicherheit, für die Gerichte, die Kultur und ihre Strassen verantwortlich. Sie erheben ihre eigenen Steuern, namentlich eine Einkommens- und Vermögenssteuer. Untereinander stehen sie im Wettbewerb, auch bezüglich der Steuern. Dieser Steuerwettbewerb - er ist nicht von allen Europäern gleich gerne gesehen - verhält die Kantone dazu, ihre Aufgaben mit möglichst geringem Finanzaufwand zu erfüllen. Wir halten diese Aufgabenteilung nach wie vor für eine zentrale Grundlage mit entscheidenden Vorteilen. Die Schweizer sind ein Volk, das sich aus unzähligen Minderheiten zusammensetzt - regional, sprachlich, kulturell, wirtschaftlich usw. Minderheiten können sich nach schweizerischer Überzeugung in einem föderalen Staat am Besten entfalten.

Auch der Bund lässt zahlreiche eigene Aufgaben durch die Kantone vollziehen. Dieser Vollzugsföderalismus funktioniert in der Regel sehr gut und hat einen entscheidenden Vorteil, nämlich dass die ausführende Behörde nahe bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ist. In vielen Bereichen ist er bestens eingespielt, wie etwa in den Sozialversicherungen oder in der direkten Bundessteuer. Gelegentlich bietet er Stoff für heftige Diskussionen zwischen Bundes- und Kantonsbehörden.

Kraft Bundesverfassung und Bundesgesetzen haben die Kantone das verbriefte Recht, Bundespolitik und Bundesrecht mitzugestalten. Dieser Gestaltungsföderalismus ist vielfältig und reicht vom Ständemehr (Mehrheit der Kantone) für Verfassungsänderungen über die Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden bis zum Vernehmlassungsrecht der Kantone. So erlässt die Eidgenossenschaft keine neue Regelung, ohne dass sie vorher die Kantone um ihre Meinung anfragt.

Und in diesem Spannungsfeld zwischen Kantons- und Bundesinteressen tagt der Ständerat (Senat). Erster Ausgangspunkt ist Art. 150 unserer Verfassung, der besagt: Der Ständerat besteht aus 46 Abgeordneten der Kantone«. Zweiter Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass der Ständerat ein Organ des Bundes und eine Kammer der Bundesversammlung, nicht eine Organisation der Kantone ist.

II. Der Ständerat besteht aus 46 Abgeordneten der Kantone«

Jeder Kanton - auch Stand genannt - stellt zwei Ständeräte, was bei 20 ganzen und 6 halben' Ständen 46 Ständeräte ergibt. Alle sind vom Volk gewählt. Doch wen vertreten sie? Die Kantonsregierung, das Kantonsparlament, das Kantonsvolk? Der Begriff Abgeordnete« darf nicht zur Annahme verleiten, Ständeräte würden ein gebundenes Mandat ausüben. Sie vertreten wohl ihren Kanton und sind nach kantonalem Recht gewählt, aber nicht an keine Instruktionen gebunden. Rechenschaft schuldig ist ein Ständerat weder seiner Kantonsregierung noch seinem Kantonsparlament, sondern lediglich seiner Wahlbehörde, dem Kantonsvolk. Und hierin besteht der wesentliche Unterschied zum Deutschen Bundesrat, der eine Vertretung der Länderregierungen darstellt.

Den Ständeräten bieten sich zahlreiche Möglichkeiten an, ihren Kanton zu repräsentieren und seine Interessen zu wahren: Das reicht von der Arbeit in den Kommissionen (Ausschüssen) über Anträgen im Rat bis zu Vorstössen und zur Stimmabgabe im Rat. Aber auch ausserhalb des Rates bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen: Ansprachen, Äusserungen in Medien, Einflussnahme auf Bundesrat und Verwaltung in direkten Vorsprachen, im Networking bis hin zur Empfehlung von einzelnen Personen für Posten in der Verwaltung. Diese Interessenwahrung geschieht oft nicht auf dem politischen Marktplatz. Schweizer lieben die Diskretion auch politisch! Zudem gehört jeder Ständerat einer Partei an, ist Mitglied weiterer Interessengruppen, und übt überdies einen bürgerlichen Beruf aus.

Indem die Bundesverfassung jedem Kanton - analog zum US-Amerikanischen Senat - zwei Mitglieder zusichert, stellt er das Gleichgewicht bzw. die Gleichheit aller Kantone sicher. So stellen 400'000 Innerschweizer zehn Ständeräte, eine Million Zürcher nur deren zwei. Das garantiert den Einbezug der Minderheiten und fördert ihre Integration. Im Ständerat kommt die Vielfalt der Sprachen und der Regionen zum Ausdruck. Er ist das Gegengewicht zum Nationalrat, der sich nach der Bevölkerungsstärke der einzelnen Kantone zusammensetzt.

Weil der Ständerat als zweite Kammer der Bundesversammlung in seinen Kompetenzen dem Nationalrat völlig gleichgesetzt ist, beschränkt er sich nicht darauf, Vorlagen zu verzögern oder zu verhindern. Er gestaltet sie und bremst er die Dominanz der wirtschaftlich und politisch starken Kantone. Das ausgeklügelte Spiel, Differenzen zwischen den Kammern zu bereinigen, begünstigt die Suche nach Kompromissen. Gesamthaft ein wirksames System von checks and balances' in unserer Gesetzgebung und Parlamentsarbeit!

III. Der Ständerat ist ein Organ des Bundes, eine Kammer der Bundesversammlung

Im Gegensatz zu den kantonalen Regierungen ist der Ständerat ein Organ des Bundes, nicht ein Organ der Kantone. Oder vereinfacht lässt sich sagen: Der Ständerat macht Bundespolitik und berücksichtigt im besonderen Masse die Anliegen der Kantone. In Konfliktfällen geht eher das Interesse des Bundes vor.

Im Ständerat werden aber nicht nur nationale, sondern auch internationale Gesichtspunkte, sowie Interessen ausländischer Staaten artikuliert und im Interesse der Schweiz - des Bundes und der Kantone - erwogen. Es ist ihnen bekannt, dass die Schweiz und die europäische Union ihr Verhältnis mittels sektorieller - so genannt bilateraler - Verträge regeln. Auch hier besteht eine Vermittlungsfunktion des Ständerates und seiner Mitglieder.

Wer so viele Interessen vermitteln muss und in dessen Brust mehrere Seelen pochen, braucht, braucht einen Anker, der ihn im Kanton verwurzelt. Nennen wir sie Treffpunkte« zwischen und dem einzelnen Mitglied des Ständerates und seinem Kanton:


· Erster Treffpunkt sind die Wahlen der Ständeräte, wo die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ob der bisherige Amtsinhaber ihre Interessen genügend gewahrt hat, bzw. ob es ihm gelungen ist, die Entscheide der Bundesversammlung ihnen genügend zu

vermitteln.


· Der zweite Treffpunkt ist institutionell : Ständeräte treffen sich regelmässig mit den Regierungsmitgliedern ihres Kantons. Die ständerätlichen Kommissionen hören die Kantonsregierungen bei wichtigen Vorlagen an.


· Zahlreicher sind die informellen Treffen und Kontakte der Ständeräte mit ihren Kantonsregierungen, weiteren Behörden des Kantons, mit Bürgerinnen und Bürgern an Abstimmungsveranstaltungen und Feierlichkeiten.


· Beruflich sind die meisten Ständeräte im eigenen Kanton tätig. Einzelne sind Mitglied der Kantonsregierung oder haben eine andere behördliche Funktion inne.

IV. Gibt es realistische Alternativen zur heutigen Form des Ständerates?

Regelmässig alle fünf bis zehn Jahre melden sich Politiker und Politologen, welche das System des Ständerates reformieren wollen. Doch es ist zählebiger als alle seine Reformatoren. Zudem schätzt die Öffentlichkeit den Ständerat höher ein als den Nationalrat. Er gilt als ausgewogener, besonnener, lösungsorientiert. In jeder Wahl versuchen zahlreiche Nationalräte den Wechsel - besser: den Aufstieg - in den Senat. Nie ereignet sich das Gegenteil.

Alle bisher diskutierten Ideen erlitten Schiffbruch, etwa:

- eine andere Zusammensetzung de Ständerates, indem grosse Kantone drei, mittlere Kantone zwei und kleine Kantone einen Ständerat stellen würden;

- die Aufwertung der gemeinsamen Konferenz aller Kantonsregierungen zu einer Kammer der Kantone, oder

- die Umwandlung des Ständerates in eine Kantonskammer (Länderkammer) nach dem Vorbild des deutschen oder österreichischen Bundesrates

V. Schlussbetrachtung in fünf Thesen

Lassen Sie meine Ausführungen in fünf Thesen zusammenfassen:

1. Der Ständerat ist für die Schweiz ein zentrales Instrument, um den Föderalismus zu beleben. Unser Föderalismus aber ist nie starr und endgültig, er bedarf regelmässiger Reformen.

2. Der Ständerat ist ein unverzichtbares Instrument, die Interessen der Kantone auf Bundesebene einzubringen. Doch handeln Ständeräte autonom und ohne Weisung einer Behörde ihres Kantons.

3. Der Ständerat ist ein Organ des Bundes. Seine Aufgabe ist es, Lösungen für den Bund unter besonderer Berücksichtigung der Kantonsinteressen zu erarbeiten.

4. Der Ständerat als Organ und die einzelnen Ständeräte entscheiden in einem Spannungsfeld zwischen Kantonen und Bund, zwischen Partei und Verbandsinteressen. Hier Entscheide zu treffen, welche akzeptiert und gegen ein Referendum resistent sind, ist ihre wichtigste Aufgabe.

5. Wir glauben nicht, dass eine grundlegende Reform des Ständerates zu einem besseren Föderalismus führt. Das System ist resistent und scheint auch für die kommenden Jahrzehnte tauglich.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

*

* *

Karsten Behr, Mitglied des Niedersächsischen Landtags

Es gilt das gesprochene Wort !

Meine sehr verehrten Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren,

Die Kernfrage des heutigen Seminars lautet: Haben die Länder und Regionen in den jeweiligen zweiten Kammern ein wirksames und angemessenes Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen auf nationalstaatlicher Ebene?

Für den deutschen Bundesrat - die zweite Kammer in der Bundesrepublik Deutschland - kann ich diese Frage im wesentlichen positiv beantworten: Der Bundesrat kann ein wirksames Instrument zur Durchsetzung der Länder-interessen sein, es liegt aber letztlich an den Ländern, was sie daraus machen.

Ich möchte diese Aussage anhand einiger spezifischer Aspekte hinsichtlich Funktion und Verfahren des Bundesrates unterlegen: - Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung und an Europaangelegenheiten, - Zusammensetzung aus Regierungsvertretern der Länder, - disproportionale Repräsentation der Länder und - Vermittlungsausschussverfahren .

1. Die Mitwirkung der Länder an den Angelegenheiten des Bundes

Zunächst brauchen wir Klarheit, in welchen Angelegenheiten der Bundesrat überhaupt beteiligt wird. Ist er ein Organ, das nur in bestimmten Einzelfällen mitwirkt, wenn es um bestimmte, fachlich klar abgrenzbare Länderinteressen geht, oder ist er sozusagen allumfassend beteiligt, die ganze Bandbreite gesamtstaatlichen Handelns übergreifend?

Artikel 50 des deutschen Grundgesetzes bestimmt klar und eindeutig:

Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit«

Aus dieser Bestimmung lassen sich wichtige Feststellungen ableiten:

- Der Bundesrat ist ein Organ des Bundes

- Die Länder wirken mit, nicht die Kommunen. Deren gesamtstaatliche Interessen werden durch die Länder wahrgenommen.

- Gegenstand der Mitwirkung ist die Bundesgesetzgebung, die Bundesverwaltung und die Gesamtheit der EU Angelegenheiten und schließlich:

- Was immer an sonstigen formellen und informellen Mitwirkungsformen in der Verfassungspraxis der Bundesrepublik bestehen mag, rechtlich wirksam sind allein die Mitwirkungsakte des Bundesrates.

Was den Gegenstand der Mitwirkung des Bundesrates angeht, so ist die Antwort klar: Der Bundesrat hat ein fachlich allumfassendes Mitwirkungsrecht an den Angelegenheiten des Bundes. Alle Bundesgesetze, alle Fragen der Bundesverwaltung und auch alle Europaangelegenheiten sind grundsätzlich der Mitwirkung des Bundesrates zugänglich.

Lassen Sie mich einige aktuelle Stichworte aus der Sitzung des Bundesrats am 15.Februar 2008 zitieren - keine Angst, ich werde nicht alle 71 Tagesordnungs-punkte ansprechen -:

So hat der Bundesrat beispielsweise Stellungnahmen verabschiedet zum

- (Bundes-)Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG)

- Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze

- Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft

- Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem "Stalking" (Antrag Rheinland-Pfalz)

- Entwurf eines (Bundes-) Gesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007

- Entwurf eines (Bundes-) Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz - ErbStRG)

- Entwurf eines (Bundes-) Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Anpassungsgesetz)

- Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen von 2001 über die Beschränkung des Einsatzes schädlicher Bewuchsschutzsysteme auf Schiffen (AFS-Gesetz)

- Vierter Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und zur

- Wahl eines Richters des Bundesverfassungsgerichts

Diese kleine Auswahl macht die Bandbreite der umfassenden Beteiligung des Bundesrates deutlich. Es geht zum einen um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesentwürfe, es geht um eigene Vorschläge der Länder für Bundesgesetze, um Stellungnahmen zu EU Vorlagen und internationalen Verträgen sowie um Bundespersonal- und Organisationsangelegenheiten.

Ein wenig Wasser muss ich allerdings in den Wein gießen. Umfassendes Mit-wirkungsrecht des Bundestages heißt nicht, dass sich der Bundesrat immer und überall mit seiner Meinung durchsetzt.

Vielmehr ergibt sich aus dem komplexen Kompetenz- und Gesetzgebungs-mechanismus des Grundgesetzes, insbesondere Art. 77 GG, dass die Rechte des Bundesrates insbesondere im Bereich der sogenannten Zustimmungsgesetze eine starke Stellung haben. Solche Gesetze, die nach einer ausdrücklichen Vorschrift im Grundgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, kommen ohne Zu-stimmung des Bundesrates nicht zustande. Diese Gesetze sind zahlenmäßig allerdings eher die Ausnahme.

Bei sog. einfachen oder Einspruchsgesetzen kann der Bundesrat den Ver-mittlungsausschuss anrufen und damit ein gesondertes Überprüfungsverfahren einleiten. Allerdings kann insoweit der Bundestag bei diesem Gesetzestyp den Bundesrat überstimmen.

Aber auch dieses Recht auf Einspruch ist nicht zu unterschätzen, da es dem Bundesrat ermöglicht wird, seine Argumente in einem formalisierten Schlichtungs-verfahren vorzubringen. Außerdem weiß man in dem paritätisch zwischen Bundestag und Bundesrat zusammengesetzten Vermittlungsausschuß nie, welches Ergebnis am Ende herauskommt.

2. Wer ist im Bundesrat vertreten?

Zur zweiten Frage: Durch welche Organe und Personen sind die Länder im Bundesrat vertreten und entspricht dies eigentlich tradierten Formen der parlamentarischen Repräsentation?

Auch hier darf ich mit einem Blick auf das Grundgesetz beginnen. Es bestimmt in Art. 51 GG ganz eindeutig:

Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder ihrer Regierungen vertreten werden.« Und schließlich: Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat«.

Die Stimmenanzahl der Länder im Bundesrat, also letztlich ihr rechtliches und politisches Gewicht bei der Abstimmung, schwankt gemäß Art. 51 Abs. 2 Grundgesetz entsprechend der Einwohnerzahl zwischen mindestens drei und maximal sechs Stimmen. Sie ist also disproportional, begünstigt die einwohner-schwächeren Länder und benachteiligt die einwohnerstarken. Das kleinste Land - Bremen - hat mit 700 000 Einwohnern drei Stimmen, das größte, Nordrhein-Westfalen mit 18 Millionen Einwohnern hat sechs Stimmen.

Insgesamt kann also ein Land mit maximal sechs Regierungsmitgliedern im Bundes-rat vertreten sein. Als großes und einwohnerstarkes Land entsendet meine Heimat, Niedersachsen, ebenfalls sechs Mitglieder.

Hinsichtlich des Benennungsverfahrens verweist das Grundgesetz auf das jeweilige Landesrecht. Es schreibt also kein bestimmtes einheitliches Benennungsverfahren vor. So regelt beispielsweise Artikel 29 der Nds. Verfassung :

(1) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung gewählt.

(2) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident beruft die übrigen Mitglieder der Landesregierung und bestimmt ein Mitglied, das sie oder ihn vertritt.

(3) Die Landesregierung bedarf zur Amtsübernahme der Bestätigung durch den Landtag.

Die Benennung der Bundesratsmitglieder erfolgt anschließend durch einen entsprechenden Organisationsbeschluss der Landesregierung. Normalerweise werden die Bundesratsvertreter eines Landes sofort zu Beginn einer Landes-legislaturperiode benannt, damit sie unverzüglich ihre Funktion im Bundesrat aufnehmen können. Das hat dann auch den angenehmen Nebeneffekt, dass der Bund für die Kosten der Tätigkeit als Bundesratsmitglied aufkommt.

Wenn also ein Land bis zu sechs Bundesratsvertreter benennen kann, so ergibt sich automatisch die Frage der Bündelung des Abstimmungsverhaltens. Das Grund-gesetz beugt einer Zersplitterung der Stimmabgabe mit der Bestimmung vor, dass jedes Land seine Stimmen nur einheitlich abgeben darf. Dies ist nicht nur eine theoretische Verpflichtung. Da es in den Ländern in der Regel Koalitionsregierungen gibt, mag das Abstimmungsverhalten der Bundesratsvertreter schwanken. Im Jahre 2002 hat das Bundesverfassungsgericht 39 ( * ) einen entsprechenden Streit um die Stimmabgabe des Landes Brandenburg im Bundesrat aus Anlass der Verab-schiedung des Zuwanderungsgesetzes entschieden. Der Ministerpräsident und der Innenminister dieses Landes hatten bei diesem Gesetz unterschiedlich abgestimmt. Wenn der Grundsatz der einheitlichen Stimmabgabe durch ein Land verletzt wird, ist die Stimmabgabe dieses Landes unwirksam.

Die Ländervertretung im Bundesrat durch Regierungsmitglieder ist, soweit ich es sehe, eine deutsche Besonderheit im Zweikammer-System. Wir haben also kein Senatsmodell etwa wie in Frankreich, Italien, Spanien oder den USA. Woher kommt also dieser deutsche Sonderweg?

Ein Ausflug in die deutsche Geschichte erscheint hilfreich. Bereits der Reichstag des heiligen römischen Reiches deutscher Nation (bis 1806) und der Bundestag des Deutschen Bundes (bis 1866) waren Gesandtenkongresse der deutschen Staaten, also exekutiv besetzte Gremien. Auch für die Weimarer Verfassung war ein Reichsrat vorgesehen, der aus Vertretern der Regierungen der Länder bestand. Im parlamentarischen Rat 1949 fiel - übrigens auf gemeinsamen Vorstoß der CSU und der SPD - ebenfalls die Entscheidung zugunsten der Bundesratslösung - mit Vertretern der Landesregierungen - und gegen die Senatslösung.

Es gibt also eine gewisse historische Vorprägung der Bundesrepublik in der Aus-gestaltung der Zusammensetzung des Bundesrates. Andererseits spiegelt diese Entscheidung nach meinem Eindruck letztlich auch die stark exekutivisch ausge-richtete Mitwirkungspraxis wider, obwohl die meisten Bundesratsvertreter natürlich ein Landtagsmandat haben und damit unmittelbar demokratisch legitimiert sind.

Sie werden mir als Abgeordneten nachsehen, dass ich die Frage der Repräsentation ein wenig anders als die Landesregierungen sehe. Was spräche denn eigentlich dagegen, die Bundesratsmitglieder durch die jeweiligen Landtage wählen zu lassen? Müsste man dann einzelne Vertreter an die jeweilige Landtagsopposition abtreten, um dem Proportionalprinzip Rechnung zu tragen? Gäbe es Schwierigkeiten mit dem freien Mandat, das das Landtagsmitglied nur seinem freien Gewissen und nicht unbedingt Weisungen einer Landesregierung unterwirft?

Alle diese Aspekte wären sicherlich auch zugunsten einer Parlamentslösung lösbar.

Aber im Kern geht es wohl darum, dass eine andere Zusammensetzung des Bundesrates Auswirkungen auf das Kräfteparallelogramm zwischen Bundestag und Bundesregierung einerseits sowie Landesparlamenten und Landesregierungen andererseits mit sich gebracht hätte. Das Regieren im föderalen Verbund wäre anders, komplexer, zeitaufwändiger geworden. Das konnte und wollte sich offenbar niemand vorstellen. Die Verfassungsentscheidung ist 1949 für die jetzige Bundesratslösung gefallen und niemand hat bisher, auch nicht im Kontext der deutschen Einheit 1990, eine Revision dieser Grundentscheidung verlangt.

Meine Damen und Herren, wenn ich Ihnen den Mitwirkungsumfang und die Zusammensetzung des Bundesrats aufgezeigt habe, so ist letztlich ein wesentlicher Aspekt zur Beurteilung der Bedeutung des Bundesrates als Instrument der Interessenwahrung der deutschen Länder noch nicht hinreichend geklärt.

3. Warum wirken die Länder überhaupt an Bundes angelegenheiten mit?

Warum wirken die Länder überhaupt an Bundes- und Europaangelegenheiten mit? Sollte nicht der Bund in diesen Sachgebieten ganz autonom ohne Einbindung der Länder allein entscheiden können?

Diese Frage hat diverse rechtliche, verwaltungspraktische und überaus wichtige politische Facetten:

Wir haben zunächst einmal eine klare rechtliche Verschränkung der Interessen der beiden Ebenen:

Mit der Verfassungsentscheidung des deutschen Grundgesetzes nach Art. 20 für den Bundesstaat ist nach deutscher verfassungsrechtlicher Tradition auch die Mitwirkung der Länder an der Gestaltung des Bundesschicksals verbunden.

Zudem ist die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen den Ebenen so angelegt, dass der Schwerpunkt der Gesetzgebung ganz eindeutig auf der Bundes-ebene liegt. Selbst in denjenigen Bereichen, in denen Bund und Länder quasi in Konkurrenz zueinander stehen - sog. konkurrierende Gesetzgebungskompetenz - hat ganz überwiegend der Bund sein Gesetzgebungsrecht ausgeübt. Das gilt nahezu für alle in Art. 74 Grundgesetz aufgelisteten Gesetzgebungszuständigkeiten. Vom bürgerlichen Gesetzbuch über die öffentliche Fürsorge hin zum Wettbewerbsrecht oder künstlichen Befruchtung beim Menschen -überall gibt es Bundesgesetze, ob-wohl es sich um Materien der konkurrierenden Gesetzgebung handelt. Da selbst-verständlich in allen diesen Bereichen Länderinteressen tangiert sind, ist eine Be-teiligung der Länder über den Bundesrat zwingend.

Die Dominanz des Bundes wird auch im Bereich der Steuergesetzgebung deutlich. Für die Gemeinschaftssteuern und nahezu alle Länder- (und Gemeinde-) steuern steht die Gesetzgebungsbefugnis dem Bund zu. Lediglich die Steuerertragskom-petenz ist zwischen beiden Ebenen für die Gemeinschaftssteuern aufgeteilt bzw bei den Ländersteuern den Ländern zugewiesen.

Auch für die EU Angelegenheiten ist rechtlich ein Bund-Länderzusammenwirken vorgesehen. Seit der Umsetzung des Maastrichter Vertrages 1992 sind die EU Angelegenheiten in Art. 23 Grundgesetz insoweit gemeinsame Angelegenheiten von Bund und Ländern, als die Mitwirkungsrechte der Länder die innerstaatliche Kompetenzverteilung widerspiegeln.

In verwaltungspraktischer Hinsicht ist Art. 83 Grundgesetz von überragender Bedeutung:

Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt.

Der Bund hat von wenigen Ausnahmen abgesehen - der Auswärtige Dienst, die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Bundesagentur für Arbeit - um nur einige besonders bedeutsame Bereiche zu nennen, keinen eigenen Verwaltungsunterbau. Es sind die Länderbehörden, die die Bundesgesetze vollziehen . Es gibt also grundsätzlich keine föderalstaatlichen Behörden auf der Landes- /Kommunalebene.

Und die Formulierung in Art. 83 Grundgesetz Ausführung als eigene Angelegenheit« ist eine besondere rechtliche Finesse. Der Gesetzesvollzug der Bundesgesetze ist eine eigenverantwortliche, autonome Aufgabe der Länder. Sie bestimmen die Form des Behördenaufbaus und die Regularien der Verwaltungs-verfahren. Der Bund sichert seinen Einfluss durch eine Rechtsaufsicht, er hat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keinerlei fachaufsichtsrechtlichen Befugnisse.

Sie werden sich vielleicht fragen, warum ich diesen Aspekt so besonders heraus-stelle. Ist denn die Übernahme von Verwaltungsaufgaben so besonders spannend? Kann man damit reichlich Lorbeeren erwerben? Ist das nicht vielmehr ein mühsames Tagesgeschäft, personalintensiv, fehleranfällig und - bei negativen Entscheidungen zu Lasten der Bürger - letztlich undankbar?

Ich habe damit bereits einige Themen angerissen, die in der aktuellen deutschen Föderalismusreformdiskussion eine große Rolle spielen. Auf einige Details werde ich noch zu sprechen kommen. Aber im Rahmen der Frage der Mitwirkungsobjekte des Bundesrates spielen diese Verwaltungsvollzugsaspekte eine bedeutende Rolle.

- Wenn der Bund weitgehende Gesetzgebungskompetenzen hat, ist die Zustän-digkeit für die Verwaltung eine Art Kompensation , ein Akt der Gewaltenteilung.

- Die Herrschaft über die Verwaltung ist ein wichtiges Instrument der Länder-autonomie: Wer über das Personal - allein das Land Niedersachsen hat für seine 8 Millionen Einwohner etwa 220 000 Landesbedienstete - , die Organisations-strukturen und die Finanzmittel für die Ausübung von Verwaltung verfügt, hat alle wichtigen Instrumente regionaler Strukturpolitik in der Hand.

- Und schließlich ist die Herrschaft über die Verwaltung auch ein wichtiges Thema für Good governance . Die Länder können den Vollzug bundes- und landesverwaltungsrechtlicher Aufgaben bündeln, optimieren und in einem ständigen Reformprozess den Anforderungen moderner Regierungskultur anpassen. Das alles schafft enorme Einflussmöglichkeiten bis hin zur kommunalen Ebene.

Diese überaus umfassende rechtliche und verwaltungspraktische Verklammerung zwischen den beiden föderalen Ebenen in Deutschland hat natürlich auch eine besondere politische Bedeutung :

Die politischen Lasten des föderalen Systems werden auf viele Schultern verteilt. Wenn die bundesföderalen Organe und über den Bundesrat alle Länder an den Leitentscheidungen der Bundesrepublik beteiligt werden, werden alle Akteure eingebunden. Das bietet eine Reihe von Vorteilen:

- Es entwickelt sich eine ausgefeilte Mitwirkungskultur, die jedermann Anspruch zumindest auf Präsentation seiner Argumente gibt.

- Die Legitimationsbasis staatlicher Entscheidungen wird verbreitert.

- Wir haben sowohl in der Entwicklung von Politikinhalten und -konzeptionen als auch in der Gesetzgebungsimplementation ein System kommunizierender Röhren in beide Richtungen, sowohl vertikal als auch horizontal.

Im Ergebnis ist das staatliche Institutionengefüge außerordentlich stabil. Da jeder mit jedem vernetzt ist, werden sowohl politische, wirtschaftliche oder auch finanzielle Lasten, die zunächst nur auf den Schultern eines Akteurs liegen, kaskadenförmig weiterverteilt. Das System wirkt wie eine Rückversicherung, in der die Prämien verteilt, aber eben auch die Schadenssummen« kollektiv aufgebracht werden, häppchenweise, für jeden entsprechend der individuellen Leistungsfähigkeit.

Neben diesen systembedingten politischen Wirkungsmechanismen hat der Auftritt der Ministerpräsidenten im Bundesrat auch noch einen ganz konkret individuellen Anstrich:

Die Ministerpräsidenten der Länder haben neben ihren Landeshauptstädten zwei zusätzliche nationale politische Bühnen: Sie sind in der Regel in den Bundes-vorständen ihrer jeweiligen Partei vertreten. Und sie haben im Bundesrat eine wirkungsvolle Plattform für die Präsentation ihrer Vorschläge. Darüber hinaus haben sie als Mitglied des Bundesrates Rederecht im Bundestag.

Lassen Sie mich dieses Potential an Einwirkung am Thema Klimawandel deutlich machen. Niedersachsen ist ein Land mit ca. 300 km Küste an der Nordsee. Erheb-liche Teile des Landes wären von einem Anstieg des Meeresspiegels betroffen. Es ist jedem nachvollziehbar, dass viele Menschen an der Küste an allen Fragen, die mit Klima- und Küstenschutz zusammenhängen, ein existenzielles Interesse haben.

Der Ministerpräsident hat das Thema wiederholt auf Landesebene aufgegriffen und sich entsprechend im Landtag positioniert. Er kann insoweit im Rahmen der eigenen Landesgesetzgebungskompetenz alle erforderlichen Maßnahmen treffen - bis hin zur Entwicklung eines Landesenergieeinsparungsprogramms. Soweit es zusätzlich um die Erarbeitung bundespolitischer Positionen zur Klimapolitik geht, hat er sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag Gelegenheit, die entsprechende Bundesgesetz-gebung zu beeinflussen. Dies betrifft z.B. gerade auch die finanziellen Aspekte im Rahmen der Bund-Länder Gemeinschaftsaufgabe: Küstenschutz. Bund und Länder finanzieren jeweils 50% der notwendigen Investitionen. Auch im Bundesvorstand der CDU kann er sich entsprechend mit bundesweiter Wirkung artikulieren. Und schließlich: Was die europäische Ebene betrifft, so kann der niedersächsische Ministerpräsident als Mitglied im Ausschuss der Regionen interregionale Allianzen mit anderen Küstenregionen aufbauen und die europäische Klimaschutzpolitik beeinflussen. In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, dass die EU-Politik auf eine Begrenzung des CO2 Ausstosses setzt. Der Ministerpräsident eines Landes mit einer bedeutenden Automobilindustrie - Niedersachsen hält 20% der VW Aktien - hat also auch insoweit Pflichte und Rechten zur Intervention, um die Interessen des Landes umzusetzen.

Die Geschichte der Bundesrepublik hält einen ganzen Katalog von Fachpolitiken bereit - vom Steinkohlenbergbau, der Kernenergie über die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bis hin zum Bildungs-, Forschungs- und Kulturbereich, die für die jeweils besonders betroffenen Ministerpräsidenten von erheblicher landespolitischer Bedeutung waren und sind. Eine engagierte bundespolitische Interessenwahrnehmung ist deshalb absolute politische Notwendigkeit für den Erfolg eines Ministerpräsidenten in seinem Land. Deshalb ist der Alltag eines deutschen Ministerpräsidenten mindestens zu einem Drittel, wenn nicht mehr, von der Betreuung bundespolitischer Themen bestimmt. Die Bedeutung der Bundespolitik können Sie auch daran ermessen, mit welchem Aufwand die deutschen Länder in Berlin ihre Vertretungen ausstatten.

Der Bundesrat bietet für diese Anforderungen aus der Sicht der Ministerpräsidenten der Länder geradezu eine ideale Plattform:

- Die Mehrheitscheck - Funktion

Da der Bundesrat mit Mehrheit entscheidet - die einfache Mehrheit beträgt 35 von 69 Stimmen -, kann man als Land frühzeitig ausloten, mit welchen Verbündeten auf Länderseite man rechnen kann und ob die nötigen Mehrheiten erreichbar sind.

- Die föderale Konsens-Funktion

Im Rahmen der Arbeit des Bundesrats wirken die jeweiligen Bundesministerien an den Ausschussarbeiten mit. Man kann also sehr frühzeitig und ohne große öffentliche Publizität in eine Abstimmung der Positionen zwischen Bund und Ländern einsteigen.

- Die Eine Hand wäscht die andere«-Funktion

Die monatliche Bundesratstagesordnung enthält in der Regel zwischen 40 und 80 Tagesordnungspunkte unterschiedlicher rechtlicher und politischer Wertigkeit. Es bieten sich also genügend Anlässe, Kompromisse vorzuschlagen, Pakete zu schnüren und allen Beteiligten Erfolgserlebnisse zukommen zu lassen. Eine klassische win-win Situation also. Der Bundesrat arbeitet damit schon vom Stil her unaufgeregt und gelassen, eher House of Lords als House of Commons. Das beruhigt das Klima und ist vorteilhaft für den Blutdruck.

Insgesamt kann ich feststellen: Der Bundesrat steht im deutschen Verfassungs-gefüge an der Nahtstelle der Politik- und Gesetzgebungsverflechtung zwischen Bund und Ländern. Das System war unbestreitbar überaus erfolgreich. Dieser Mitwirkungs-mechanismus hat insbesondere auch in Zeiten außerordentlicher Herausforderungen im Zuge der deutschen Einheit zielgerichtet und effizient arbeiten können.

Gleichwohl sind insbesondere seit der Jahrhundertwende eine Reihe von Fragen aufgeworfen worden, die das föderale Gefüge insgesamt und insbesondere auch die Funktion des Bundesrates betreffen. Mit einigen zentralen Aspekten möchte ich mich abschließend beschäftigen.

4. Ist die Ländermitwirkung im Bundesrat ein Erfolgsmodell oder gibt uns die Mitwirkungspraxis der letzten Jahre Anlass, das Mitwirkungsverfahren grundlegend zu überdenken?

Eine Mängelanalyse der Mitwirkungspraxis könnte sich auf folgende Komplexe konzentrieren:

- Eine Ausuferung des Umfangs der Ländermitwirkung im Bundesrat, auch unter europäischem Blickwinkel - weniger könnte mehr sein;

- Die Verflechtung der Ebenen und die daraus resultierende Schwierigkeit, klare Verantwortlichkeiten zu identifizieren - der Bürger möchte ein Thema mit einem Kopf verbinden, das fällt im jetzigen System schwer;

- Die materiellen Vorgaben für wechselseitiges bundestreues bzw. europatreues Verhalten des Bundes und der Länder - die Kriterien, wann und unter welchen Bedingungen die Ebenen die Interessen der jeweils anderen Seite insbesondere bei Europavorhaben berücksichtigen müssen sind nicht klar.

Die politische Praxis der Bundesrepublik, die seit mindestens 1998 von einer wechselseitigen Blockadewirkung infolge unterschiedlicher Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und Bundesrat gekennzeichnet war, hat diese Überlegungen voran-getrieben und 2003 zur Einrichtung einer Föderalismusreformkommission geführt.

Es ist ferner nicht überraschend, dass diese Überlegungen auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland einbezogen haben. Insbesondere für die Medien und auch Teile der Wirtschaft hatte die Verminderung der internationalen wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, die daraus resultierenden massiven Arbeitsplatzprobleme und die Überschuldung der öffentlichen Haushalte, auch etwas mit dem nicht optimalen Funktionieren der Institutionen zu tun. Für manche waren die Entscheidungsprozesse zwischen den föderalen Institutionen zu langsam, zu wenig effektiv. Eine Grundsanierung des deutschen Föderalismus wurde für erforderlich gehalten.

Die jetzt eingeleitete Reform ist in zwei Schritten angelegt. Mit einem ersten Gesetzespaket zur Föderalismusreform Teil I aus dem Jahre 2006 werden folgende Hauptziele der Reform angesteuert:

- Klare Verteilung der Kompetenzen - welche Ebene macht was?

- Transparenz und Klarheit - was kostet die Umsetzung eines Gesetzes Bürger und Wirtschaft?

- Zurechenbarkeit und öffentliche Kontrolle - wer ist für die jeweiligen Maßnahmen politisch verantwortlich und rechenschaftspflichtig?

Für die Arbeit des Bundesrats ergeben sich daraus eine Reihe von Konsequenzen :

- Die Gesetzgebungsbefugnisse werden zwischen Bundes und Länder klarer und übersichtlicher aufgeteilt, die Rahmengesetzgebung wird abgeschafft. Damit wird der Beteiligungsumfang des Bundesrats vermindert.

- Das Gesetzgebungsverfahrens durch die beiden Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat soll vereinfacht und abgekürzt werden, indem die Fähigkeit der beiden Organe zur wechselseitigen Blockade verringert wird.

- De Ländern wird Einräumung größere Flexibilität zur Abweichung von Bundesrecht eingeräumt,

- die gemeinsamen Bund-Länder Finanzbeziehungen werden entflochten sowie neue Regeln für Bundesfinanzhilfen eingeführt

- Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf EU Ebene durch klarere Trennung der Verantwortlichkeiten

Hauptbausteine der Reform

Das Paket enthält drei Elemente:

- Ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetze 40 ( * ),

- Das Föderalismusreform - Begleitgesetz 41 ( * ) sowie

- Zwei parallele Entschließungen des Bundestages und des Bundesrates 42 ( * ) .

- Das Grundgesetzsänderungsgesetz enthält insgesamt 23 Änderungen des Grundgesetztes.

- Das Begleitgesetz enthält in 22 Artikel alle neuen Bundesgesetzes sowie Änderungen in bestehenden Bundesgesetzes sowie die Begründungen

- Die Entschließungen enthalten den Inhalt des Annexes 2 der Koalitionsvereinbarung, soweit dieser nicht im Begleitgesetz umgesetzt worden ist.

Der Bundestag hat die Gesetze am 30 Juni 2006 verabschiedet, der Bundesrat hat am 7 Juli 2006 zugestimmt.

Nach der Verabschiedung der Föderalismusreform Teil I haben Bund und Länder einen zweiten Reformschritt beschlossen und Ende 2006 eine weitere Föderalis-musreformkommission eingerichtet. Als Hauptziele dieses Reformpakets sind zu nennen:

- Die Sanierung der öffentlichen Haushalte , insbesondere durch Einführung von Instrumenten zur Vorbeugung gegen Haushaltskrisen und zur Eindämmung der Neuverschuldungsmöglichkeiten

- Die Bewältigung der Altschuldenlasten der öffentlichen Hände (insgesamt ca. 1,5 Billionen €)

- Wenn möglich, die Beseitigung der unterschiedlichen strukturellen Leistungsfähig-keit der einzelnen Länder unter Berücksichtigung eines Wettbewerbsföderalismus.

- Außerdem sollen Maßnahmen der Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung im Bereich der öffentlichen Verwaltung getroffen werden.

Der Bundesrat wirkt an diesem Reformschritt zusammen mit dem Bundestag gleichberechtigt mit. Zwar ist er zunächst nicht als Organ betroffen, es wird auch keine Veränderung der entsprechenden Rechtsvorschriften geben. Allerdings muss der Bundesrat am Ende des Reformprojekts den einzelnen Maßnahmen zustimmen, Da wie im Rahmen der Föderalismusreform I das Grundgesetz in erheblichem Umfang geändert werden wird, bedarf es im Bundesrat einer Zwei-Drittel Mehrheit. Insofern ist also die Konsensfunktion des Bundesrats voraussichtlich im Verlauf des Jahres 2009 gefordert.

5. Schlussbetrachtung

Gerade die seit 2003 angelaufenen Reformprojekte haben deutlich gemacht, dass die Ländermitwirkung im Bundesrat eine effektive Durchsetzung von elementaren Länderinteressen im bundesstaatlichen Interessenausgleich gewährleistet. Allerdings wird dieser positive Effekt auch dadurch erreicht, dass wir in der Bundesrepublik zur Zeit eine Parallelität der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und Bundesrat haben. In beiden Staatsorganen haben Große Koalitionen Mehrheiten.

Dieser Zustand ist jedoch nicht auf Dauer angelegt. Zum einen haben Große Koalitionen in der deutschen Staatspraxis eher einen Ausnahmecharakter , die öffentliche Meinung, aber auch die an den Koalitionen beteiligten Parteien wollen so schnell wie möglich wieder zu normalen« Koalitionen zurückkehren. Zum anderen werden aber insbesondere die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat durch die Ergebnisse der jeweiligen Landtagswahlen beeinflusst. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Landesregierungen, die unter Einbindung kleinerer Parteien die jeweiligen Landtagsmehrheiten sichern, auch in ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat Kompromisse machen müssen. Dies mag mittelfristig die Mehrheitsbeschaffung im Bundesrat insbesondere für große, verfassungsändernde Reformprojekte erschweren und das Abstimmungsverhalten unberechenbarer machen. Es liegt auf der Hand, dass es nur einen Profiteur gibt, wenn im Bundesrat uneinheitlich und mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt werden sollte - den Bund.

Vor diesem Hintergrund will ich meine Ausgangsthese relativieren: Zwar bietet das deutsche Verfassungsrecht mit dem Bundesrat für die Länder ein überaus leistungs-fähiges Instrument zur Wahrnehmung ihrer Interessen auf Bundesebene. Je mehr sich allerdings die Länder in ihrem Abstimmungsverhalten aufsplittern sollten, umso geringer wird der föderale Mehrwert des Bundesrats. Die Entwicklung ist nach beiden Seiten offen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Einblick in Aufgaben und Funktion des Deutschen Bundesrates geben und danke sehr herzlich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!

ANHANG

Föderalismusreform Teil I 2006

Die wichtigsten Regelungen:

1. Allgemeine Grundsätze zur Verteilung der Gesetzgebungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern.

1.1 Allgemeines: Die Gesetzgebung des Bundes wird gestärkt - Zustimmungsrechte des Bundesrates werden in Einspruchsrechte überführt.

Bundesgesetze werden überwiegend als Einspruchsgesetze erlassen. Bei Art. 84 Abs. 1 GG (Behördereinrichtung der Länder, Verwaltungsverfahren) werden die Zustimmungsrechte des Bundesrates durch Abweichungsrechte der Länder ersetzt. So sind in Zukunft Bundesgesetzes nur ausnahmsweise zustimmungspflichtig, wenn sie Regelungen über den Behördenaufbau oder das Verwaltungsverfahren enthalten.

1.2 Einfachere Bundesgesetzgebung neue Regelungen hinsichtlich der Erforderlichkeitsklausel

Bisher konnte der Bundestag konkurrierende Bundesgesetze in wichtigen Themenfeldern nur erlassen, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

Diese Klausel ist damit eine spezielle Subsidiaritätsregel. Die Reform verringert ganz erheblich die Gesetzgebungsmaterien, die in Zukunft dieser Klausel unterliegen 43 ( * ) .

Die prozessualen Folgewirkungen sind im BundesverfassungsgerichtsG geregelt, Länder können Rechtsschutz gegen die - vereinfachte - Ausübung der Bundesgesetzgebung erlangen, wenn sie zuvor in einem Verfahren vor dem BVerfG ihre Gesetzgebungsbefugnisse geltend gemacht haben.

1.3 Erhebliche Reduzierung der Zustimmungsgesetze des Bundesrates

Der Anteil der Zustimmungsgesetze wird von jetzt ca. 60% auf ca. 35-40% sinken

2. Die Verteilung spezieller Gesetzgebungsbefugnisse zwischen den Ebenen

2.1 Die Befugnisse der Länder auf dem Gebiet der Erziehung und Forschung wird gestärkt - Rahmengesetzgebung und Gemeinschaftsaufgaben werden abgeschafft, Finanzhilfen des Bundes laufen aus, keine neuen Finanzhilfen sind möglich.

Die bisher stark verflochtenen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern in diesem Aufgabengebiet werden entzerrt und auf neue Füße gestellt.

Andererseits bekommt der Bund eine neue konkurrierende Gesetzgebung für die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse mit Abweichungsbefugnis durch die Länder. Das Hochschulrahmengesetz bleibt als Bundesgesetz bestehen, allerdings können die Länder es ersetzen.

70% der Bundesfinanzhilfen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau werden auf die Länder verteilt (insgesamt knapp 700 Mio €). 30% dieser Mittel werden in den Bereich der überreigionalen Forschung investiert. (ca. 300 Mio €)

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz bleibt in Bundeskompetenz.

Die Länderbefugnisse im Bereich der Bildung werden durch das Verbot von allgemeinen Finanzhilfen des Bundes gestärkt (Verbot der goldenen Zügel). Die Bedingungen für Bundesfinanzhilfen sind durch die Bedingung: eigene Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes« neu definiert 44 ( * ) .

Die Gemeinschaftsaufgabe : Bildungsplanung wird ebenfalls beendet, allerdings ersetzt durch eine neue GA, die auf PISA Kriterien ausgerichtet ist 45 ( * )

Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte der Bundesrepublik in der EU wird auf einen Vertreter der Länder übertragen, soweit ausschließlich Kompetenzen der Länder im Bildungsbereich betroffen sind.

2.2 Die Gesetzgebungsrechte der Länder im Bereich Organisation und öffentlicher Dienst werden gestärkt

Die Kompetenz zur Regelung des öffentlichen Dienstes, der Besoldung und Versorgung der Beamten und Richter der Länder und Gemeinden wird auf die Länder verlagert.

Allerdings behält der Bund einen Kern der Gesetzgebungskompetenzen in diesem BEreich, um die Einheitloichkeit im Bundesgebiet zu wahren.

Art. 33 Abs.5 GG wird hinsichtlich der Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstes erweitert.

2.3. Klarere Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern - weniger konkurrierende, mehr ausschließliche Gesetzgebungsbefugnissse für die Ebenen

Die Länder bekommen Gesetzgebungskompetenzen zusätzlich in folgenden Bereichen:

- Versammlungsrecht

- Strafvollzug

- Notariat

- Heimrecht

- Ladenschluss

- Gaststätten

- Spielhallen

- Messen, Ausstellungen, Märkte

- Flubereinigung

- Landwirtschaftlicher Grundstücksverkehr

- Siedlungswesen- und Heimstättenwesen

- Sport- und Freizeitlärm

- Presserecht

Die bestehenden Bundesgesetze in diesen Bereichen bleiben bestehen und können auch nicht durch Landesrecht geändert werden. Allerdings können sie durch neue Ländergesetze überlagert werden.

Der Bund erhält folgende ausschließliche Kompetenzen:

- Waffen- und Sprengstoffwesen

- Kriegsfolgenrecht

- Kernenergie

- Melde- Ausweiswesen

- Schutz deutschen Kulturguts gegenAbwanderung.

- Abwehr von Gefahren des internaionalen Terrorismus durch das BKA.

- Konkurrierende Gesetzgebung im Umweltbereich :

- Naturschutz, Landschaftspflege

- Wasserhaushalt.

Die Länder können allerdings von Bundesumweltrecht abweichen.

2.4 Die Voraussetzungen der Abweichungsgesetzgebung der Länder

Art. 72 Abs. 3 GG eröffnet den Länder mit der Abweichungsbefugnis ein neues Verfassungsinstrument unter bestimmten Bedingungen 46 ( * ) . Die Länder können damit in Abweichung vom Bundesrecht eigene Konzepte ausprobieren und die jeweiligen Rechtsgebiete an die sozio-ökonomischen Besonderheiten des Landes anpassen.

Wenn sie abweichen, sind sie allerdings an die verfassungsrechtlichen, europäischen oder internationalen Bindungen der Bundesrepublik in gleicher Weise wie der Bund unterworfen.

Die Abweichung wird des weiteren durch einige «abweichungsresistene» Kernelemente begrenzt.

Abweichende Ländergesetzgebung verhindert nicht neue Bundesgesetzgebung. Diese Bundesgesetze werden bundesweit wirksam und ersetzen abweichende Ländergesetzgebung. Allerdings können die Länder von dieser Bundesgesetzgebung erneut abweichen. Um insoweit einen Ping-Pong Effekt« zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung zu vermeiden, treten neue Bundesgesetze erst 6 Monate nach der Verkändung in Kraft. In der Zwischenzeit können die Länder entscheiden, ob sie erneut abweichen wollen oder nicht (Art. 72 Abs 3 Satz 2 GG).

2.5 Die Abschaffung der Bundesrahmengesetzgebung, Übergangsvorschriften

Die Rahmengesetzgebung wird abgeschafft. Bestehendes Recht bleibt allerdings in Kraft. Der Bund darf kein neues Rahmenrecht erlassen, dagegen können die Länder ihre Gesetzgebung im Rahmen der Bundesgesetzgebung anpassen (Art. 125 b Abs.1 Satz 2 GG).

Das bestehende konkurrierende Bundesrecht im Bereich ua

- Waffenrecht

- Kriegsfolgenrecht

- Kernenergie

wird in ausschließliche Bundesgesetzgebung überführt(Art. 73 Nr. 12,13, 14 GG).

3. Bundesrecht mit Auswirkungen auf die Gebietskörperschaften

Die Übertragung von Aufgaben und Kosten auf Gemeinden und Gemeindeverbände durch den Bund ist untersagt (Art. 84 Abs 1 Satz 7 GG 47 ( * ) ). Wenn Gemeinden durch Ländergesetze mit dem Vollzug von Aufgaben betraut werden, ist ihr finanzieller Schutz durch die Konnexitätsregeln auf Länderebene gewährleistet.

4. Änderungen in der Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern

4.1. Die Voraussetzungen für Bundesfinanzhilfen an die Länder sind restriktiver gefasst worden.

Art. 104b GG regelt die Voraussetzungen für die Bereitstellung von Bundesfinanzhilfen neu. Bestehende Regelungen im Bereich Gemeindeverkehr und Sozialer Wohnungsbau laufen 2006 aus. Übergangsbestimmungen regeln die Ausfinanzierung bis 2019 48 ( * ) .

Der Betrag ist auf 1,335 Mrd. € begrenzt, (§ 3 Entflechtungsgesetz).

4.2 Bundesgesetze mit finanziellen Folgewirkungen zu Lasten der Länder bedürfen der Zustimmung des Bundesrates (Art. 104 a Abs.4 GG 49 ( * ) )

wenn sie Zahlungen der Länder gegenüber Dritten in Form von Geldleistungen, geldwerte Sachleistungen oder vergleichbare Dienstleistungen begründen.

4.3 Stärkung der Finanzverwaltung

Das Reformpaket enthält in Art. 12 und 18 des Föderalismusreform-Begleitgesetzes einige Bestimmungen zur Stärkung des Bundes im Bereich des Finanzverwaltungsgesetzes sowie der Abgabenordnung.

4.4. Die Länderautonomie im Bereich der Landessteuern ist erweitert worden.

Das Reformwerk enthält eine Erweiterung der Steuergesetzgebungskompetenz der Länder insbesondere im Bereich der Grunderwerbssteuer. Eine grundlegende Neujustierung zwischen den Bundes- und Landeskompetenzen auch im Bereich der Ländersteuern ist damit aber nicht verbunden.

4.5 Einführung eines »Nationalen Stabilitätspaktes»

Art.109 Abs.5 GG enthält eine Neuregelung in Form eines nationalen Stabilitätspaktes. Damit werden eventuelle Sanktionslasten der EU zu Lasten der Bundesrepublikk wegen Verstoßes gegen Art. 104 EWG Vertrag innerstaatlich zwischen Bund und Ländern verteilt. Die Details sind in Art. 14 des Föderalismusreform-Begleitgesetzes geregelt.

4.6 Einführung von innerstaatlichen Haftungsregeln bei sog. EU Unrecht.

Schließlich enthält das Paket eine neue Haftungsregelung zur Verteilung von Lasten zwischen Bund und Ländern, wenn die EU bei Verstoß gegen EU Normen, insbesondere im Bereich der länderübergreifenden Finanzkorrekturen und der Vertragsverletzungsverfahren, Sanktionen gegen die Bundesrepublik verhängt. Des weiteren sind auch Geldbußen im Bereich des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Strasburg erfasst. Die Details sind in Art. 15 des Föderalismusreform-Begleitgesetzes geregelt.

5. Beteiligung der Länder in EU Angelegenheiten konkretisiert.

Die Beteiligung der Länder im EU Entscheidungsprozess ist spezifiziert worden. Nach Art. 23 Abs. 6 GG können die Mitwirkungsrechte der Länder im EU Ministerrat durch Ländervertreter in den Bereichen Bildung, Kultur und Rundfunk wahrgenommen werden 50 ( * ) .

6. Verschiedenes

Spezielle Regeln bezüglich der bundesstaatlichen Funktionen in Berlin

Das GG stärkt in Art. 22 die Stellung Berlins, insoweit die Repräsentation des Gesamtstaates betroffen ist 51 ( * ) .

7. Die nächsten Reformschritte: Föderalismusreform Teil II

Nach der Verabschiedung der Föderalismusreform Teil I haben Bund und Länder einen zweiten Reformschritt beschlossen. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.6.2006 haben sich die MPs insoweit auf die nachfolgenden Themen geeinigt. Die Verhandlungen werden Anfang November 2006 beginnen.

Offene Themensammlung zu einer Reform der

Bund-Länder-Finanzbeziehungen (2. Föderalismusreformstufe)

1. Haushaltswirtschaft; Vorbeugung von Haushaltskrisen

- Etablierung eines Frühwarnsystems (z.B. Aufwertung Finanzplanungsrat) zur Erkennung und Bekämpfung von Haushaltskrisen,

- Entwicklung materieller Kriterien zulässiger Verschuldung (Einführung von Verschuldungsgrenzen und Schuldenbremsen«), Änderung von Art. 115 und Art. 109 GG zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen,

- Instrumentarium zur Durchsetzung dieser Kriterien (Anreizsysteme, Sanktionen, Gläubigerbeteiligung an Kosten einer Finanzkrise),

- Strukturunterschiede zwischen den Ländern,

- Vergleichbare Datengrundlagen.

2. Bewältigung bestehender Haushaltskrisen - Konzepte zur Sanierung, Konzepte erweiterter Autonomie - (insbesondere unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG)

3. Aufgabenkritik und Standardsetzung

4. Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung

- Aufgabenentflechtungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung,

- Ebenenübergreifende Bündelung von Verwaltungsaufgaben,

- Einführung von IT-Standards und -Systemen / Vereinfachung länderübergreifender Regelungen.

5. Stärkung der aufgabenadäquaten Finanzausstattung, u.a. Abarbeitung Prüfauftrag für 2008 aus Finanzausgleichsgesetz

6. Stärkung der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften

7. Verstärkte Zusammenarbeit und Möglichkeiten zur Erleichterung des freiwilligen Zusammenschlusses von Ländern

8. Bündelung fachpolitischer Leistungen auf einer politischen Ebene und Aus-wirkungen auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen

9. Sonstiges

ANLAGE

Konferenz

der Regierungschefs der Länder

am 22. Juni 2006 in Berlin

Vorläufiges Ergebnisprotokoll

TOP 2.2 Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung 2

Die Regierungschefs der Länder streben folgenden gemeinsamen Beschluss mit der Bundeskanzlerin an:

Nach Verabschiedung der Föderalismusreform Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung« in Bundestag und Bundesrat sollen in einem zweiten Reformschritt explizit die Bund-Länder-Finanzbeziehungen den veränderten Rahmenbedingungen inner- und außerhalb Deutschlands, insbesondere für Wachstums- und Beschäftigungspolitik, angepasst werden.

Hierzu werden Vertreter des Deutschen Bundestages, der Bundesregierung und aller Landesregierungen zügig in die Gespräche über die anliegende offene Themensammlung und das weitere Verfahren der notwendigen Verfassungsänderungen eintreten.

Die Regierungschefs der Länder weisen darauf hin, dass sie vor Aufnahme dieser Gespräche die Thematik in einer Konferenz nach der Sommerpause 2006 behandeln werden.

Protokollerklärung des Landes Mecklenburg-Vorpommern

Das Land Mecklenburg-Vorpommern bekräftigt seine Protokollerklärung zur Konferenz der Regierungschefs der Länder am 14. Dezember 2005, TOP 1.5, die davon ausgeht, dass die bis einschließlich 2019 geltenden Regelungen zum bundesstaatlichen Finanzausgleich und zum Solidarpakt II bei einem weiteren Reformschritt nicht zur Disposition stehen.

Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein schließt sich der vorstehenden Protokollerklärung an.

Es liegt auf der Hand, dass manchen Bundespolitikern die Mitwirkungsrechte des Bundesrates in der Themenvielfalt zu weit gehen. Manche wünschen sich eine stärkere Eingrenzung seiner Rechte und eine bessere Aufteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern.

Jeder Ministerpräsident eines Landes hat neben seinen Landesaufgaben auch die bundespolitischen Implikationen seines Handelns zu Bedenken. Er hat mindestens zwei politische Bühnen: Das jeweilige Land und Berlin. Bei seinen Mitwirkungsakten muss er deshalb mindestens drei Wirkungsmechanismen im Auge behalten:

Wie wirkt sich ein Bundesvorhaben auf das Wohlergehen meines Landes aus?

Und welche Kompromisse muss ein Land machen, um seinen bundespolitischen Treue- und Folgepflichten nachzukommen.

Schließlich wird im Rahmen der EU Integration immer wichtiger: Welche Positionierung auf europäischer Ebene liegt im Interesse des Gesamtstaates Bundesrepublik und wie wirkt sich das auf die Landerinteressen aus?

Bei so viel Verknüpfung, Verflechtung, von manchen auch als Vermischung und Vermengung gekennzeichneten Beziehungen zwischen Bund und Ländern in Deutschland ist klar, dass ohne ein ziemlich ausgefeiltes Bund-Länder Zusammenwirkungssystem eine zielgerichtete, effiziente Wahrnehmung deutscher föderaler und partikularer Interessen nicht möglich ist.

*

* *

Fabio Pellegrini, Vice Presidente Vicario dell'AICCRE e Consigliere del Comune di Rapolano Terme (Siena)

COME SUPERARE IL BICAMERALISMO PERFETTO CON UN ORDINAMENTO ISTITUZIONALE DI TIPO FEDERALE

La Costituzione italiana rappresenta il risultato positivo della collaborazione e del contributo delle tre componenti ideali, culturali e politiche che avevano lottato contro il fascismo e contribuito a liberare il Paese dai nazisti: la socialista-comunista italiana, la cattolica e la liberal-democratica.

Dopo sessant'anni, conserva tutta la validità e la modernità nei suoi principi fondamentali, risente, invece, di qualche condizionamento del tempo per quanto concerne la parte dell'ordinamento e del funzionamento delle istituzioni. Si deve tener conto che l'Italia era uscita da un ventennio di dittatura fascista ed i costituenti sentirono il peso di tale esperienza concordando sulla ricerca di equilibri istituzionali che garantissero dai pericoli di ritorni autoritari. Con il tempo tali soluzioni risentono di quel condizionamento a scapito di una necessaria efficacia ed elasticità funzionale. Il bicameralismo perfetto, uguali poteri ed identiche funzioni della Camera dei Deputati e del Senato, è uno degli aspetti che oggi pesano nell'efficienza legislativa risultando, ormai a parere di tutti, una duplicazione da superare.

Tra le varie modifiche che sono state comunque apportate, anche per necessità di aggiornamento, quella più significativa è del 2001 con l'approvazione della riforma del Titolo V concernente l'ordinamento delle Regioni, le Province, le Città metropolitane ed i Comuni.

Con la legge costituzionale n. 3 del 18 ottobre 2001 l'ordinamento istituzionale concernente il rapporto Stato centrale e collettività territoriali viene completamente capovolto rispetto al testo precedente. La modifica è sostanziale in quanto oggi la «Repubblica italiana è costituita dai Comuni, dalle Province, dalle Città metropolitane, dalle Regioni e dallo Stato» che sono «enti autonomi con propri statuti, poteri e funzioni secondo i principi fissati dalla Costituzione» (art. 124). Nel precedente testo era lo Stato che si articolava in enti territoriali.

La novità del nuovo dispositivo costituzionale è quella che nella nuova versione vengono elencate le materie di podestà legislativa esclusiva dello Stato, essendo le altre indicate come di competenza concorrente e quelle non indicate di esclusiva competenza legislativa regionale (art. 117). In precedenza erano indicate le competenze delle Regioni essendo tutte le altre di competenza dello Stato centrale.

L'art. 118 definisce le funzioni amministrative conferite ai Comuni, Province e Città metropolitane sulla base dei principi di sussidiarietà, differenziazione ed adeguatezza.

L'autonomia finanziaria delle collettività locali e delle Regioni, autonomia di entrata e di spesa con risorse autonome, stabilendo tributi ed entrate propri, sono stabiliti dall'art. 119. La riforma costituzionale approvata dalla Camera dei Deputati e dal Senato con doppia lettura nel 2001, ottenne poi il consenso popolare con oltre il 65 per cento nel referendum del 7 ottobre 2002.

Negli anni precedenti si era a lungo dibattuto in Italia della esigenza di aggiornare sostanzialmente la Carta costituzionale. Si erano susseguite Commissioni Bicamerali (miste di Deputati e Senatori) ad hoc; erano stati approvati decreti legislativi riguardanti il decentramento amministrativo dello Stato verso le collettività territoriali (legge 142 del 1990; Decreti n. 57 e n. 59 del 1997 che prendono il nome dell'allora Ministro Bassanini, altri del Ministro dell'Interno Napoletano, costituendo 3 Conferenze Stato-Regioni, Stato-Autonomie locali e una unificata). Sulla base del rispetto della « Carta europea dell'autonomia locale » si era avviata una trasformazione dello Stato italiano; ma il governo di centro-sinistra non seppe avanzare, per mancanza di una volontà politica conseguente, sulla questione del Senato federale.

Ci provò il nuovo governo di centro-destra, proponendo un Senato, definito federale, ma che di federale non aveva che il nome in quanto la modifica apportata riguardava il metodo di elezione dei Senatori, sempre sulla base di liste politiche di partito e sulla dimensione territoriale regionale. Un obbrobrio istituzionale, che venne insieme alle altre disposizioni, cancellato dal referendum popolare del 25 e 26 giugno 2006 restando così in vigore il precedente testo del 2001.

E' appunto sulla questione del Senato che si è continuato a discutere con intensità di confronto a lungo, negli ultimi venti mesi di attività parlamentare, per trovare una soluzione coerente con la Costituzione vigente, ma soprattutto per dare efficacia all'azione degli esecutivi e per rendere più efficiente ed efficace il sistema parlamentare italiano eliminando le doppie letture che appaiono ormai, a parere unanime, una inutile perdita di tempo.

Io rappresento l'orientamento federalista che è sempre stato maggioritario sulla prospettiva dell'Unione europea, ma che non lo è sempre stato a livello della rappresentanza parlamentare nazionale per dare uno sbocco di tipo federale all'ordinamento interno.

Dopo contrastanti opinioni, sul finire prematuro dell'attuale legislatura, la 1° Commissione Affari costituzionali della Camera dei Deputati ha approvato il nuovo Senato federale rispondente alla sua definizione. La decisione presa prevede un Senato composto da eletti di secondo grado: locali (Comuni e Province) e regionali. L'interruzione della legislatura azzera tutto. Tutti i protagonisti della competizione elettorale insistono sulla dichiarata volontà riformatrice del sistema istituzionale da realizzare nella prossima legislatura. Restano, però, ancora molte questioni da definire: tipo di Esecutivo; poteri del Presidente del Consiglio (capo dell'Esecutivo); del Presidente della Repubblica; rapporti tra Magistratura con il sistema politico, ecc.. Noi ci batteremo, anche come rappresentanti delle collettività territoriali, affinché si confermi la decisione del Senato federale con le sue specifiche competenze e poteri relativi alla sua forma di rappresentanza. A questo proposito due indicazioni brevissime, e mi scuso per la schematicità: il rafforzamento del ruolo del Consiglio regionale delle autonomie (forma di «bicameralismo regionale») e Senato a composizione di rappresentanza istituzionale proiettati verso una Unione europea più democratica, nella quale a fianco del Parlamento europeo eletto a suffragio elettorale popolare e sulla base della rappresentanza politica, esista un Senato o Seconda Camera degli Stati composta secondo l'ordinamento istituzionale dei singoli Paesi membri; senza voler imporre a nessuno un modello interno unico, ma sicuramente come esigenza democratica di superare l'attuale Consiglio dei Ministri che rappresenta solo gli esecutivi degli Stati membri ma non le loro articolazioni istituzionali interne.

In Italia la trasformazione dell'attuale Senato in Senato federale resta una condizione necessaria per la realizzazione di quel federalismo fiscale e finanziario che consenta una piena autonomia anche politico-istituzionale alle collettività territoriali secondo quanto previsto dalla Carta europea dell'Autonomia locale del Consiglio d'Europa del 1985.

*

* *

Michael Neureiter, Zweiter Präsident des Salzburger Landtages

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

mein Name ist Michael Neureiter. Ich bin Mitglied des Ausschusses für nachhaltige Entwicklung der Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas und Ersatzmitglied im Plenum des Kongresses! Ich möchte in meinem Überblick auf die Geschichte und die aktuelle Situation des österreichischen Bundesrats eingehen, über Reformansätze informieren und einen Ausblick versuchen. Dabei versuche ich, den Fokus auf das Zusammenwirken des Bundesrats mit den Ländern und Gemeinden zu richten.

Ich bin seit 24 Jahren Mitglied des Salzburger Landtags und dessen mit Abstand dienstältester Mandatar. Zum Vorteil meiner langjährigen Erfahrung kommt in unserem Fall vermutlich auch der Nachteil der Konzentration auf die Interessen des Landes Salzburg und - damit verbunden - die Gefahr der Unterschätzung von Einrichtungen der kleinen Republik Österreich, dem Bundesstaat, den manche gerade auch aufgrund der geringen Ausprägung des Bundesrats als dezentralen Einheitsstaat« bezeichnen.

1. Österreichs politisches System

Die Republik Österreich entstand nach dem Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1918 und entwickelte sich in den ersten Jahren nach und nach bis zur ersten Bundesverfassung 1920. In dieser Entwicklung spielten die neun Länder eine wichtige Rolle: So erklärte die Landesversammlung in Salzburg am 7. November 1918 die Zugehörigkeit zur Republik Österreich. Durch das Mitwirken der Länder und teils auch durch das Votum der Bevölkerung kam die Republik zustande, die alles andere als unumstritten war, an die kaum jemand glaubte: George Clemenceau - er ist eine der prägenden Gestalten dieses Hauses - brachte es 1919 bei den Friedensverhandlungen in Saint-Germain-en-Laye auf den Punkt: "Der Rest ist Österreich!"

Die erste Verfassung der jungen Republik sah schließlich die neun Länder mit "Landtagen", regionalen Parlamenten, und Landesregierungen vor. Die gut 8 Mio. Einwohner Öster-reichs leben heute in 2.357 Kommunen.

Wie schon 1918 und in den Folgejahren die Länder weitgehend zum Zustandekommen der Republik beitrugen und sie konstituierten, war dies dann auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Schreckensherrschaft des sogenannten "Dritten Reichs" der Fall: Am 24. September 1945 einigten sich die Vertreter der neun Länder bei der Länderkonferenz« mit Staatspräsident Karl Renner auf die Zusammensetzung einer Bundesregierung und auf Österreich weite Nationalratswahlen im November 1945.

Als Zweite Kammer war von 1920 an der "Bundesrat" vorgesehen. Als "Erste Kammer" arbeitet der Nationalrat mit derzeit 183 Abgeordneten, die nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden, und zwar alle vier Jahre, künftig alle fünf Jahre.

2. Der Bundesrat, Österreichs Zweite Kammer

2.1 Die Zusammensetzung

Der Bundesrat, Österreichs Zweite Kammer, besteht derzeit aus 62 durchwegs nebenberuflichen Mitgliedern, von ihnen sind 16 Mandatarinnen und 46 Mandatare. Sie werden durch die neun Landtage entsandt, die Länder stellen je nach Bevölkerungszahl zwischen 3 und 12 Mandatare. Ihre Funktionsperiode richtet sich nach der Legislaturperiode der einzelnen Landtage, mit jeder Landtagswahl ist also eine partiale Erneuerung des Bundesrates möglich.

Eine Mindestanzahl von drei Bundesratssitzen ist jedem Bundesland nach dem arithmetischen Prinzip verfassungsgemäß garantiert, der Vorsitz wechselt halbjährlich bundesländerweise. Es ist zwingend vorgesehen, dass die jeweils zweitstärkste Landtagsfraktion zumindest einen Bundesratssitz bekommt.

Kamen die Mitglieder des Bundesrates durch Jahrzehnte nur von den Großparteien Österreichische Volkspartei und Sozialistische/Sozialdemokratische Partei Österreichs, so gibt es derzeit neben 29 Sozialdemokraten und 26 Christdemokraten (ÖVP) auch 4 Grüne und 3 Mandatare ohne Fraktionszugehörigkeit. Unter den 62 Mandataren befinden sich übrigens 7 Bürgermeister, weitere 20 Angehörige von kommunalen Vertretungen (Bezirksräte, Gemeinderäte, Gemeindevertretungen) und derzeit ausnahmsweise auch ein Mitglied eines der neun Landtage! Die Verbindung zu Kommunen wird also durch 43% der Mitglieder des Bundesrates auch selbst wahrgenommen.

2.2 Die Mitwirkung der Länder,

konkret der Landtage, an der Arbeit des Bundesrates ist auf die Entsendung der Mandatare konzentriert. Für die Bundesräte gilt das Prinzip des freien Mandats und das Privileg der Immunität, für sie gelten die Regelungen über Unvereinbarkeiten usw. und sie sind von den Landtagen nicht abwählbar. Im Fall des Ausscheidens während der Landtagsperiode treten die Regelungen betreffend die - durch den Landtag zu Beginn der Legislaturperiode bestellten - Ersatzmitglieder in Kraft.

2.3 Die Kompetenzen

Der österreichische Bundesrat ist einerseits zweite Kammer im Sinne des Korrektivs, des Ausgleichs. Er ist aber stärker als Länderkammer konzipiert.

Im Gesetzgebungsverfahren ist der Bundesrat dem Nationalrat zeitlich nachgestellt. Durch die Vorausinformation über Regierungsvorlagen und selbständige Nationalrats-Anträge gibt es aber eine Rückkoppelung im Voraus und eine frühzeitige Vorabstimmung.

Zu den Kompetenzen der Zweiten Kammer in Österreich: Dem Bundesrat kommt ein Initiativrecht zu, von ihm beschlossene Gesetzesanträge sind dem Nationalrat zur weiteren Behandlung zuzuleiten. Das Einspruchsrecht des Bundesrates ist größtenteils ein aufschiebendes, ein aussetzendes Veto, es kann durch einen sogenannten Beharrungsbeschluss des Nationalrates zurückgewiesen und unwirksam gemacht werden. In ganz wenigen Fällen kommt dem Bundesrat ein absolutes Veto zu, also ein Zustimmungsrecht, ohne das ein Gesetz nicht wirksam werden kann: Dies betrifft zu kurze oder zu lange Fristen für den Erlass von Ausführungsgesetzen, dies betrifft Änderungen der Bestellung oder Zusammensetzung des Bundesrates bei Verfassungsbestimmungen. Das Zustimmungsrecht betrifft auch Verfassungsbestimmungen mit der Auswirkung einer Einschränkung der Zuständigkeit der Länder. Das Zustimmungsrecht betrifft weiters die Genehmigung von Staatsverträgen mit Auswirkungen auf den selbständigen Wirkungsbereich der Länder und Angelegenheit der innerstaatlichen Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union.

Für den österreichischen Föderalismus sind diese Zustimmungsrechte durchaus von Bedeutung: Kompetenzverschiebungen zu Lasten der Länder können nicht allein durch den Nationalrat per Beharrungsbeschluss durchgesetzt werden. Dem Bundesrat steht auch das Verlangen auf Abhaltung einer Volksabstimmung bei beabsichtigen Teilabänderungen der Bundesverfassung zu, wie hier kann ein Drittel der Abgeordneten auch Bundesgesetze vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten.

Eine "Achillesferse der Bundesstaatlichkeit" (Vizepräsident des Bundesrates Jürgen Weiss) ist in der Tatsache zu sehen, dass in Angelegenheiten des Finanzausgleiches der Bundesrat lediglich ein Einspruchsrecht, aber kein Zustimmungsrecht hat!

Österreichs Zweite Kammer hat auch - allerdings bescheidene - Kontrollrechte: Zum Zustimmungs- und Einspruchsrecht kommen im Bereich der politischen Kontrolle durch den Bundesrat ein "Interpellationsrecht" und das "Zitationsrecht" gegenüber den Mitgliedern der Bundesregierung zu, ein "Resolutionsrecht" (ohne rechtliche Verbindlichkeit) und ein "Petitionsrecht", allerdings ebenfalls ohne Konsequenzen.

2.4 Die öffentliche Präsenz

Der Bundesrat steht wenig im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Dies ändert sich meist dann, wenn es im Bundesrat andere Mehrheiten gibt als im Nationalrat: Dann kommt es öfter zu Beharrungsbeschlüssen und zum suspensiven Veto«, dann werden die ohnedies bescheidenen Kompetenzen der Länderkammer auch sichtbar und wahrgenommen.

Ähnliches ist der Fall, wenn es in der jeweiligen Koalition - und Österreich wird seit 25 Jahren von Bundesregierungen aufgrund einer Koalition geführt - zu gröberen Meinungsverschiedenheiten kommt, die dann auch in den Bundesrat hineingetragen werden und für Aufsehen sorgen.

3. Herausforderungen an den Bundesrat

In der öffentlichen Debatte wie auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wird der österreichische Bundesrat oft der "Zahnlosigkeit" verdächtigt. Viele bezeichnen ihn als überflüssig, auch die Bezeichnung als Anhängsel« und Aschenbrödel« kommt vor.

In seiner Aufgabe als Länderkammer wird ihm vorgeworfen, dass er mehr parteibestimmt als länderbezogen agiert, was auch in der Sitzordnung und in der fraktionellen Meinungsbildung des Bundesrates zum Ausdruck komme. Nicht unwesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass eine Lücke in der Wahrnehmung von Länderinteressen durch ein im österreichischen Rechtssystem gar nicht geregeltes Organ wahrgenommen wird: Die "Landeshauptleute-Konferenz", eine Versammlung der Regierungschefs des Länder, ist damit teilweise in Aufgaben hineingewachsen, die eine starke Länderkammer ihrerseits erfüllen könnte. Auch die Landtagspräsidenten-Konferenz« ist ein Indiz für einen Koordinationsbedarf von Länderinteressen bzw. gemeinsamen Interessen der Länderparlamente. Übrigens nehmen drei österreichische Landtagspräsidenten an der heutigen Konferenz teil.

Eine starke Länderkammer, die auch als Sprachrohr der Landtage fungieren könnte, wäre natürlich eine Konkurrenz in der derzeitigen Beinahe-Alleinvertretung von Länderinteressen durch die Landeshauptleute-Konferenz: Diese wäre als Sprachrohr einheitlicher Länderstellungnahmen und Beschlüsse gegenüber dem Bund relativiert, die Positionen der Landtage könnten deutlicher eingebracht und die derzeitige Schieflage zu Gunsten der Landesregierungen/Landeshauptleute ein wenig korrigiert werden: Derzeit gibt es kaum eine Informationspflicht der Landeshauptleute gegenüber den Landtagen, geschweige denn eine Rechenschaftspflicht.

Eine andere Herausforderung ist die fehlende Mitwirkungsmöglichkeit in Angelegenheiten des Finanzausgleichs: Diese "Achillesferse der Bundesstaatlichkeit" wird in Österreich durch den so genannten "Konsultationsmechanismus" aufgefangen, der ein Einspruchsrecht der Länder bzw. der Interessenvertretungen der Gemeinden in jenen Fällen vorsieht, in denen der jeweilige Gesetzgeber (Nationalrat bzw. Landtag) Regelungen beabsichtigt, die die jeweils nachgeordnete Gebietskörperschaft (Land/Länder bzw. Gemeinden) zusätzlich finanziell belasten können.

Eine klare Herausforderung ist auch die derzeitige Befassung des Bundesrats im Nachhinein: Wenn auch eine Vorausinformation über Gesetzesvorhaben erfolgt, wäre eine formelle Befassung des Bundesrats mit Vorhaben des Nationalrats sicher wünschenswert.

4. Zur Zukunft des Bundesrats

Der österreichische Bundesrat ist seit seiner Verankerung in der Bundesverfassung 1920 ständig in Diskussion, er ist ein "Consilium semper reformandum"! Diese Auseinandersetzung um die Länderkammer hat sich in den letzten Jahren zunehmend verdichtet: "Aufwerten oder Abschaffen" des Bundesrats ist mehr oder weniger zur gemeinsamen Überzeugung der politischen Eliten Österreichs geworden.

4.1. Der Österreich-Konvent

Der österreichische Verfassungskonvent 2003 bis 2005 war der Überzeugung, "dass in diesem Bereich ein besonders dringender Änderungsbedarf besteht, weil der Bundesrat derzeit seine primäre Aufgabe, die Interessen der Länder in der Bundesgesetzgebung zu wahren, nicht ausreichend effektiv wahrnehmen kann, was freilich nicht allein an den einschlägigen bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen liegt." (Österreich-Konvent Endbericht)

Während im Österreich-Konvent weitgehend Konsens bestand, dass die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung weiterhin im Wege des Bundesrates erfolgen soll, gab es sehr unterschiedliche Positionen etwa zur Frage einer gleichzeitigen, parallelen Befassung des Nationalrates und des Bundesrates mit Gesetzesvorlagen. Das beinahe generell suspensive, aufschiebende Veto wurde überwiegend als nicht zweckmäßig erachtet. In der Frage der Zusammensetzung wurde etwa die Entsendung von Mitgliedern der Landtage vorgeschlagen, auch die Einbeziehung der Landeshauptleute bzw. anderer Mitglieder der Landesregierungen wurde als zweckmäßig angeregt.

Schließlich wurde im Konvent teilweise die Auffassung vertreten, dass der Bundesrat zu einer Kammer der Länder und Gemeinden umgestaltet werden sollte. Neben vielen anderen Lösungsvorschlägen wurde auch die Frage des freien Mandats und die Bindung der Mandatare an die Vorgaben des entsprechenden Landes angesprochen.

Natürlich konnte auch die Frage der Befassung des Bundesrates mit finanziellen Belastungen der Länder nicht fehlen: Hier stand eine Zustimmungspflicht des Bundesrats zu finanziellen Belastungen der Länder genau so im Raum wie eine dezidierte Ablehnung einer solchen und der Vorrang für den "Konsultationsmechanismus"!

4.2. Die zwei Varianten 2007 der Staatsreform-Kommission

Während der Österreich-Konvent in seinen Ergebnissen weithin eine Zusammenfassung vieler auch unterschiedlicher Standpunkte und Meinungen festhielt, liegt dem Bundeskanzleramt nun ganz aktuell ein Entwurf der "Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform" vor, die von der derzeitigen Bundesregierung zur Umsetzung der Ergebnisse des Österreich-Konvents eingerichtet wurde.

Die Staatsreform-Kommission hat für eine Reform des Bundesverfassungs-Gesetzes hinsichtlich des Bundesrats zwei Varianten vorgeschlagen: Die Variante 2 sieht eine leichte Aufwertung des suspensiven Einspruchsrechts des Bundesrates gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates vor.

Die Variante 1 ist weitergehend: Die Zusammensetzung des Bundesrats soll demnach nach dem Senatsmodell« zu einer rein paritätischen werden, alle neun Länder sollen durch den Landeshauptmann, den Landtagspräsidenten sowie durch ein vom Landtag zu wählendes Mitglied vertreten werden, wobei jedem Land nur eine Stimme zukommt, über die die unbedingte Mehrheit der Vertreter des jeweiligen Landes entscheiden soll. Das bisherige freie Mandat der Bundesräte soll durch das Prinzip Ein Land, eine Stimme« ersetzt werden und würde nach diesem Vorschlag zu einem imperativen Mandat.

Das geltende Einspruchsrecht des Bundesrates mit dem möglichen Beharrungsbeschluss des Nationalrates ist auch in dieser Variante 1 vorgesehen. Neu ist eine Erweiterung der derzeitigen bescheidenen Zustimmungsrechte: Verfassungsgesetze bzw. in einfachen Gesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen, durch die die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung eingeschränkt wird, sollen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen und ohne diese nicht in Kraft treten können.

4.3. Weitere strukturelle Änderungen

In Salzburg nehmen die Bundesräte an den Plenarsitzungen des Landtags teil, demnächst werden sie auch auf Grund einer Geschäftsordnungsänderung ein Rederecht in Angelegenheiten haben, die einen Bundesbezug aufweisen.

Was im Land Vorarlberg längst Praxis ist, ist in Salzburg noch nicht umgesetzt: Der Salzburger Landtag hat im Vorjahr die Bundesräte um Vorlage eines jährlichen gemeinsamen Berichts über ihre Tätigkeit ersucht.

Zu den strukturellen Erfordernissen einer Aufwertung des Bundesrates dürfte auch eine selbständige Arbeitsstruktur gehören - derzeit ist der Bundesrat weitgehend in die strukturelle Ausstattung des Nationalrates integriert, bis hin zur fraktionellen Einbindung in die Parlamentsparteien und zur fehlenden Meinungsbildung der Mitglieder des Bundesrats in den Länderdelegationen!

4.4. Der Bundesrat und die europäische Integration

Eine Kernaufgabe eines gelebten österreichischen Föderalismus stellt die Mitwirkung der Landtage und des Bundesrats in der europäischen Integration dar: Im weiteren Sinn kann darunter wohl auch die Mitarbeit Österreichs in Gremien und Einrichtungen des Europarats verstanden werden?

Im engeren Sinn handelt es sich bei der europäischen Integration aber um die Umsetzung von beabsichtigten und von realisierten Rechtssetzungen der Europäischen Union, konkret auch um die Realisierung eines unbürokratischen und effizienten Modells der "Subsidiaritätsprüfung". Dafür ist sowohl das Mindesterfordernis einer strukturellen Ausstattung des Bundesrates vonnöten als auch eine Aufgabenteilung zwischen den einzelnen Ländern hinsichtlich der Wahrnehmung von Prüfaufgaben nach Politikbereichen.

Bei der Subsidiaritätsprüfung ist für die österreichischen Länder natürlich das Subsidiaritätsprüfungsnetzwerk des Ausschusses der Regionen interessant. Die Länder haben bereits an den beiden Testläufen dieses Netzwerkes teilgenommen. Wir sind zuversichtlich, dass dieses System, das in unserem früheren Landeshauptmann Franz Schausberger einen Salzburger Mitautor hat, bald voll funktionsfähig ist.

Wir kennen aber alle das Problem dieser Art der Subsidiaritätskontrolle: Der Reformvertrag, oder besser sein Subsidiaritätsprotokoll, sieht in erster Linie die nationalen Parlamente als Ansprechpartner in den Mitgliedstaaten. Es wird zwar erstmals anerkannt, dass es subnationale Parlamente gibt, ein wirksames Verfahren ist aber konkret nur für die nationalen Parlamente vorgesehen.

Hier hat der österreichische Bundesrat den Landtagen vor kurzem ein interessantes Angebot gemacht: Die Landtage werden von Kommissionsvorhaben informiert und können eine Stellungnahme abgeben, die dann an den Europa-Ausschuss des Bundesrates weitergeleitet wird und in weiterer Folge zu einer Stellungnahme des nationalen Parlaments nach Brüssel werden kann.

Dieses System ist allerdings nicht verfassungsrechtlich verbürgt. Auch haben weder die Landtage noch deren Bundesratsabgeordnete die notwendige Infrastruktur zur Verfügung, um mit der Informationsflut der Kommission fertig zu werden. Für mich ist allerdings klar, dass das Subsidiaritätsprotokoll im Wortlaut des Artikels 6 die nationalen Parlamente verpflichtet, die subnationalen Parlamente zu konsultieren. Der erwähnte jetzige Entwurf der Staatsreform-Kommission sieht eine diesbezügliche Regelung allerdings noch nicht vor.

Wie sieht es nun aber mit der Möglichkeit der österreichischen Länder aus, in Brüssel mit am Verhandlungstisch zu sitzen und auf den Inhalt von EU-Gesetzen Einfluss zu nehmen? Dazu gibt es einen Mechanismus, der allerdings - anders als in Deutschland - ganz ohne den Bundesrat stattfindet: Die Länder können in ihren Kompetenzbereichen die Bundesregierung an eine bestimmte Verhandlungsposition im Rat binden oder sogar selbst Vertreter mit zu den Verhandlungen schicken. Der Schlüssel dazu ist eine einheitliche Stellungnahme, das heißt, das Sprechen mit einer Stimme. Um diese zu erreichen, wurde in Österreich mit der "Integrationskonferenz der Länder" eine zusätzliche Institution geschaffen, die aber von den Ländern nie mit Leben erfüllt wurde. Stattdessen wird diese - nicht unbeträchtliche - Einflussmöglichkeit von der erwähnten "Landeshauptleutekonferenz" wahrgenommen

5. Zusammenfassung

Der österreichische Bundesrat steht weiter im Spannungsfeld "Aufwerten oder Abschaffen": Die Gelegenheit ist günstig, die Bereitschaft zu einer umfassenden Form im Sinne einer Aufwertung scheint gegeben zu sein. Offen ist, wie weit in einer "Staatsreform" auch eine Neuregelung der Kompetenzen im Bundesstaat einschließlich der Länderkompetenzen gelingt. Sie ist vermutlich auch eine Voraussetzung für die künftige Rolle der Landtage und des Föderalismus in Österreich insgesamt.

88 Jahre nach der Einrichtung des Bundesrates kann es zu seiner Aufwertung kommen. Und zwar in einer Zeit, in der dem Regionalismus ein immer höherer Stellenwert zukommt.

Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas kann diese Vorgänge unterstützen, kann doch der Austausch und die Information über Entwicklungen in anderen Mitgliedsländern des Europarates dazu beitragen, nicht nur den eigenen regionalen und nationalen Horizont zu sehen, sondern auch Impulse einzuholen und sie als Anregung zu sehen.

* 39 18. Dezember 2002 - 2 BvF 1/02 -

* 40 «Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes » vom 28 August 2006 (Bundesgesetzblatt 31 August 2006 Teil I 2006 Seite 2034).Das Gesetz ist am 1. September 2006 in Kraft getreten.

* 41 «Föderalismusreform-Begleitgesetz» vom 5.September 2006 (Bundesgesetzblatt vom 11.9.2006 Teil I Seite 2098ff.)

Art.4 bis 9, 11,13, 20 und 21 treten am 1 Januar 2007 in Kraft. Die anderen Artikel treten am Tag nach der Verkündung in Kraft, also am 12.9.2006. Art. 13 tritt am 31.12.2019 außer Kraft.

* 42 Bundesratsdrucksache 180/06

* 43 Siehe Details Art. 72 Abs. 2 GG

* 44 Art. 104b GG

(1) Der Bund kann, soweit dieses Grundgesetz ihm Gesetzgebungsbefugnisse verleiht, den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die

1. zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder

2. zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder

3. zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums

erforderlich sind.

________________________

* 45 Art. 91b GG

(1) 1 Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung zusammenwirken bei der Förderung von:

1. Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung außerhalb von Hochschulen;

2. Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen

3. Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten.

2 Vereinbarungen nach Satz 1 Nr. 2 bedürfen der Zustimmung aller Länder.

(2)  Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken.

* 46 Art. 72 GG

(3) 1 Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.

das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);

2.

den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);

3.

die Bodenverteilung;

4.

die Raumordnung;

5.

den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);

6.

die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

* 47 Art. 84 GG

(1) 7 Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden.

* 48 Art. 143c GG

(1) 1 Den Ländern stehen ab dem 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2019 für den durch die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich Hochschulkliniken und Bildungsplanung sowie für den durch die Abschaffung der Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und zur sozialen Wohnraumförderung bedingten Wegfall der Finanzierungsanteile des Bundes jährlich Beträge aus dem Haushalt des Bundes zu. 2 Bis zum 31. Dezember 2013 werden diese Beträge aus dem Durchschnitt der Finanzierungsanteile des Bundes im Referenzzeitraum 2000 bis 2008 ermittelt.
(2) Die Beträge nach Absatz 1 werden auf die Länder bis zum 31. Dezember 2013 wie folgt verteilt:

1.

als jährliche Festbeträge, deren Höhe sich nach dem Durchschnittsanteil eines jeden Landes im Zeitraum 2000 bis 2003 errechnet;

2.

jeweils zweckgebunden an den Aufgabenbereich der bisherigen Mischfinanzierungen.

(3) 1 Bund und Länder überprüfen bis Ende 2013, in welcher Höhe die den Ländern nach Absatz 1 zugewiesenen Finanzierungsmittel zur Aufgabenerfüllung der Länder noch angemessen und erforderlich sind. 2Ab dem 1. Januar 2014 entfällt die nach Absatz 2 Nr. 2 vorgesehene Zweckbindung der nach Absatz 1 zugewiesenen Finanzierungsmittel; die investive Zweckbindung des Mittelvolumens bleibt bestehen. 3Die Vereinbarungen aus dem Solidarpakt II bleiben unberührt.
(4) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

* 49 Art. 104a GG

(4) Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Absatz 3 Satz 2 im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind.

* 50 Art. 23 GG

(6) 1 Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. 2 Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.

* 51 Art. 22 GG

(1) 1 Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. 2 Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes. 3 Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

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