D. DAS RISIKO EINES DOKUMENTS, DAS SICH IM KRISENFALL ALS RESTRIKTIVES KORSETT ERWEIST

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Europäische Union in einer Krise sehr wohl in der Lage ist, den politischen Willen zu zeigen, an dem es ansonsten mangelt. Daher wäre es ein großer Fehler, ein stark formalisiertes Dokument zu erarbeiten, insbesondere hinsichtlich von Mindestfähigkeiten zum Handeln. Der Strategische Kompass könnte sich dann im Krisenfall als kontraproduktiv herausstellen. An dieser Stelle wird an die Entstehung der EU battlegroups erinnert: eine 2003 durchgeführte Operation vom Typ battlegroup war ein voller Erfolg, bis das Instrument 2006 formalisiert wurde und seither nie mehr zum Einsatz kam...

Die Argumentation kann auf die Beziehungen zur NATO ausgedehnt werden, die mithilfe des Kompasses nicht zu sehr eingefroren werden sollten , im Einklang mit einem französischen Anliegen (siehe vorstehend). Einigen Beobachtern zufolge verbessern sich die Beziehungen zwischen der EU und der NATO auch, wenn sie auf Taten beruhen.

Ebenso wäre es wahrscheinlich angebracht, die Positionen der EU hinsichtlich ihrer Beziehungen zu Russland, der Türkei, China und einigen nordafrikanischen Ländern nicht allzu sehr zu präzisieren, denn eine vorzeitige Festlegung unserer Positionen würde einen Verlust an Flexibilität mit erheblichen diplomatischen und operativen Konsequenzen bedeuten.

Die Schwierigkeit liegt in der Wahl des richtigen Maßes. Wenn man sich damit begnügt, die Phänomene allgemein zu charakterisieren - und Begriffe wie zwischenstaatlicher Konflikt, regionaler Konflikt, gescheiterter Staat usw. zu verwenden -, ohne weitere Präzision, besteht die Gefahr, ein unbrauchbares Dokument zu erarbeiten.

E. DAS ZUSÄTZLICHE RISIKO, DASS FRANKREICH ALS WEICHENSTELLER WAHRGENOMMEN WIRD

Frankreich, in Sorge bezüglich seines Ratsvorsitzes, wenn der strategische Kompass die in ihn gesetzten Erwartungen enttäuscht, darf nicht seiner schlechtesten Neigung erliegen, der für spektakuläre Erklärungen und Werbung für neue Konzepte, wie europäische Souveränität oder strategische Autonomie. Dadurch würden lediglich die Partner Frankreichs brüskiert und der gesamte Prozess beeinträchtigt.

Außerdem ist es üblich, dass das Land, das die EU-Präsidentschaft innehat, nicht versucht, mehr Gewicht zu haben, als ihm rechtmäßig zusteht.

Aber Frankreich vermag es weiterhin, sich Gehör zu verschaffen und mit seinen Analysen Aufmerksamkeit zu erzielen. Somit muss das Land für seine Überzeugungen einstehen, diese erklären und versuchen zu überzeugen.

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